Augen zu und durch – Warum ich alles anders sehe

Non-Fiction | 2013

Er sieht gut aus, ist sportlich gebaut, bewegt sich zielsicher durch die Straßen der Großstadt. Was keiner sieht – und keiner merken soll: er ist blind.

Saliya Kahawatte ist 15 Jahre alt, als er durch eine schwere Augenkrankheit, den Morbus Behcet, einen Großteil seines Sehvermögens einbüßt. Lehrer und Ärzte raten ihm zum Besuch der Blindenschule. Er aber träumt vom Abitur, von einem Studium und einer Karriere im Hotelfach. Saliya widersetzt sich allen Bedenken, mehr noch, er beginnt sein Handicap zu
vertuschen. „Die wollten mich in eine Behindertenwerkstatt stecken. Ich wollte nicht ein Leben lang Topflappen häkeln, sondern selbst bestimmen, was ich aus meinem Leben mache!“ Gesagt, getan. Saliya beschließt, anderen Menschen seine Behinderung zu verheimlichen. Das, was er sich durch Fleiß nicht erarbeiten kann, ersetzen die anderen Sinne. Er orientiert sich mit Hören, Riechen, Aufmerksamkeit. Alle Straßen und die Hindernisse der Stadt kennt er auswendig; sechs Schritte bis zum Bordstein, 100 Schritte bis zur nächsten Ecke. Nie ist er mit einem Blindenstock unterwegs.

Nur wenige enge Freunde sind in sein großes Täuschungsmanöver eingeweiht und helfen ihm bei seinem Plan, als scheinbar Gesunder durch’s Leben zu gehen. Diese Freunde und vor allem seine Schwester unterstützen ihn, indem sie ihm seine Lehrbücher vorlesen, ihm alles detailliert beschreiben, so dass er jahrelang alle Nicht-Eingeweihten täuschen kann. Nach außen lebt er wie ein gesunder Mensch. Er arbeitet sich hoch vom Azubi zum Restaurantchef in der Spitzenhotellerie. Nachts lernt er Speisekarten und Weinsortimente auswendig, sortiert Gläser nach Größe und Form, um sie tags drauf zielsicher ergreifen zu
können. Vor der Arbeit riecht er sich durch die geöffneten Flaschen, die er dann in der richtigen Reihenfolge aufstellt. So kann er bei Bedarf problemlos den gewünschten Cocktail mixen kann. Wenn die Tricks nicht mehr helfen, stellt er sich dumm. „Meine Lebenslüge war ein Gang auf dem Eis. Ich wusste, ich kann ständig ausrutschen oder einbrechen. Es war völlig klar, dass ich irgendwann einbreche, weil das Eis immer dünner wurde.“

Die unglaubliche Anstrengung eines solchen Lebens bleibt nicht ohne Auswirkung. Irgendwann kommt der Punkt, an dem Saliya nicht mehr kann. Er greift zu Drogen und Alkohol, stürzt völlig ab. Dann erkrankt er an Krebs, muss operiert werden, sich einer
Chemotherapie unterziehen. Nach Jahren der Täuschung zieht Saliya die Konsequenzen und outet sich als Blinder. Heute arbeitet er als Coach für Manager, denen er zeigt, was der Wille zu leisten vermag.

Zwar täuscht Saliya Kahawatte heute niemanden mehr, aber er hört nicht auf zu kämpfen. Trotz seiner Blindheit hat er Visionen: er trainiert als Schwimmer für die Paralympics 2016 und plant Seminare in Luxusressorts in Südeuropa.

CAST & CREDITS

Buch/Regie: Anabel Münstermann
Kamera: Vita Spieß
Schnitt: Petra Scherer
Musik: Mathias Rehfeldt
Produktionsassistenz: Romy Swaine
Produktionsleitung: Amelie Menger
Herstellungsleitung: Alecsander Faroga
Ausführende Produzentin: Franziska An der Gassen
Redaktion (ZDF): Brigitte Klos

Eine Produktion von Tellux-Film für das ZDF

AUSZEICHNUNGEN / FÖRDERUNGEN

http://www.zdf.de/37-Grad/augen-zu-und-durch-blind-behinderung-vertuschen-31376712.html />
http://www.dbk.de/katholischer-medienpreis/2014

TECHNISCHE DATEN

Dokumentation, 30 min

Sendetermin: 21.01.2014 ZDF 22:15 Uhr