Ein Engel im Meer

Ohne die Kathedrale wäre der Mont-Saint-Michel nur ein Stück harter Granitfelsen, der unter der flachen Erde versteckt ist und von dem nur eine 80 m hohe Spitze aus dem Boden hochragt. Es war schon sehr gewagt, auf diesem Felsen – inmitten einer unwirklichen Landschaft zwischen Küste und Meer – ein Gebäude von dieser Dimension zu bauen. Groß und hoch. Sehr hoch. Magisch, wie eine Fata Morgana sieht der Mont von weitem aus und zieht seit 1000 Jahren die Besucher und Pilger an. Für die Touristen von heute ist er eine begehrte Sehenswürdigkeit, für die Reisemanager ein Standardziel in ihren Routenplänen.

Mijou Kovacs, in Wien und Granville lebende Schauspielerin, kennt den Mont wie kaum ein anderer. Seit Jahren entdeckt sie „ihren Mont“ immer wieder neu. Bei dem Ruhm, den diese „Göttliche Stadt“ genießt, ist es aber völlig unmöglich, auf dem Mont St. Michel ganz alleine zu sein. Trotzdem: Abseits von üblichen Touristenwegen sucht und findet Mijou Kovacs „ihren Weg“ zu „ihrem Saint-Michel“.

Das fängt schon mit der Art der Anreise an. Wie die Pilger früherer Zeiten scheut sie nicht den unbequemen Fußweg über das nasse Watt. Unter der Führung von Gerard, einem erfahrenen Passeur, entdeckt sie die Sehenswürdigkeiten und Gefahren dieser ungewöhnlichsten Landschaft Europas.

Auf dem Mont angekommen, hat François, ein witziger Touristenführer, für Mijou in der Kathedrale immer wieder eine Überraschung parat.

Abt Père François hilft Mijou auf ihrem spirituellen Weg, die Äbtissin Sœur Judith gibt ihr die Möglichkeit Momente des Nonnenlebens mitzuerleben. Dann ist da noch Madame Lebrec , eine 92jährige Altbürgerin des Monts. Ein Besuch bei ihr ist für Mijou Kovacs mehr als nur ein Besuch. Madame Lebrec, eine von 30 übrig gebliebenen Bewohnern des Monts, kämpft unermüdlich für die Erhaltung des Ursprungsbildes auf dem Mont. Sie kämpft für das Dorfleben, gegen die Sünden der Architekten, und dagegen, dass der Mont durch eine Verlandung „verschluckt“ wird und die Wattlandschaft sich noch weiter zurückzieht.

Im Gespräch mit echten „Montois“ versucht Mijou Kovacs gemeinsam mit ihnen die Anziehung und das Rätsel Mont zu erspüren – immer neu und überraschend und – vielleicht wird einmal, angesteckt, aus einem neugierigen Touristen ein künftiger Pilger – wer weiß?