Der Nächste bitte! – Ärztemangel auf dem Land

Non-Fiction | 2015

 

Die Reportage gibt exklusive Einblicke in die Arbeit der Landärzte und zeigt, was es bedeutet, seine Patienten von klein auf zu kennen und für sie da zu sein. Der Film informiert aber auch über Bemühungen und neueste Entwicklungen in der Ärzteausbildung, die den Beruf des Hausarztes wieder attraktiv machen sollen.

In weniger als zehn Jahren wird es auf dem Land in Österreich und Bayern einen medizinischen Versorgungsengpass geben. Mehr als 60% der Allgemeinmediziner gehen im Land Salzburg in Pension, in Kärnten sind es fast 75%. Und keine Nachfolge in Sicht.
Nun ist der allerletzte Zeitpunkt für Politik und Gesellschaft das Aussterben der Landärzte zu stoppen. Doch wie kann dem Landarztmangel entgegengewirkt werden? Der Film begleitet Landärzte, die verzweifelt nach einem Nachfolger suchen, zeigt die Sorgen junger Landärzte beim Berufseinstieg und deckt Probleme in der Politik und Ausbildung auf.

Viele junge Mediziner entscheiden sich am Ende ihres Studiums für den Beruf des Facharztes. Der niedergelassene Praktiker ist für viele nicht mehr erstrebenswert. Zu viel Verantwortung bei zu langen Arbeitszeiten und zu geringer Bezahlung. Gerade in
ländlichen Regionen macht sich dieser Mangel bemerkbar. Schon jetzt suchen viele Landärzte verzweifelt nach Nachfolgern. Österreichweite Ausschreibungen bleiben oft ohne Resonanz. So kommt es dazu, dass Landärzte länger praktizieren als sie müssten: In Rauris kümmert sich Dr. Josef Mühlthaler schon seit 38 Jahren um die Bewohner. Seit 2010 hätte der mittlerweile 69-Jährige schon in Pension gehen können, doch weil kein Nachfolger in Sicht war und er „seine“ Patienten nicht im Stich lassen wollte, machte er weiter – bis zu 70 Stunden wöchentlich.

Rettung für Dr. Mühlthaler und Rauris kommt in Form von Dr. Alexander Voithofer. Der 34-Jährige arbeitet als Anästhesist im Krankenhaus. Als er in der Ordination in Rauris einige Vertretungsschichten übernommen hatte, war für ihn klar: „Das möchte ich machen. Hier kann ich die Menschen jahrelang begleiten. Die Dankbarkeit gibt mir viel… und meine Patienten können sich auch nach der Narkose noch an mich erinnern.“ Nun läuft die Übergabe vom alten Landarzt an seinen jungen Nachfolger. Prekär die Situation auch in Großarl: Zwei Landärzte kümmern sich um 4.000 Bewohner und die Urlauber, immerhin 700.000
Nächtigungen pro Jahr. „Oft habe ich nachts kaum geschlafen und muss am nächsten Tag in der Ordination stehen“, so Dr. Harald Kürsten, der bis zu 15 Nachtdienste im Monat ableisten musste. Inzwischen hat der 62-Jährige die Notbremse gezogen: „Meine Frau hat mich kaum wiedererkannt, die Kinder haben unter meinem Dauereinsatz gelitten.“ Jetzt leistet Dr. Kürsten nur noch sechs Dienste im Monat und Großarl ist somit jede dritte Nacht ohne Versorgung durch einen Allgemeinarzt. Und: Das Problem wird sich verschärfen. Denn beide Allgemeinmediziner im Tal sind über 60 Jahre alt. Nachfolger verzweifelt gesucht.
Inwieweit die 2015 in Kraft tretende Ausbildungsreform dem Nachwuchsmangel gegensteuern kann, ist fraglich. Zwar muss jeder Medizinstudent nach seiner Ausbildung zum Allgemeinarzt nun sechs Monate in einer Hausarztpraxis arbeiten. Doch Experten wie der Sprecher der Salzburger Ärztekammer Dr. Christoph Fürthauer halten das für zu kurz. Und wie diese Lehrpraxis finanziert werden soll, ist auch völlig ungewiss.

Letztendlich findet ein gesellschaftlicher Wertewandel statt. Junge Mediziner wollen sich nicht mehr völlig für den Beruf aufopfern. Statt 70 Wochenstunden, Bereitschaft und Nachtdiensten sind Teilzeitmodelle und fixe Arbeitszeiten gefragt.

CAST & CREDITS

Buch und Regie: Thomas Kretschmer
Kamera: Stefan Linn, Jens Tibor Homm
Produktionsleitung Tellux: Amelie Menger
Produktionsleitung Servus tv: Melanie Kaboto
Herstellungsleitung:Alecsander Faroga
Produzent: Johanna Teichmann, Martin Choroba
Redaktion: Carolin Darschin

technische Daten:

Reportage, 45 Minuten

Sendedatum: Donnerstag, 22. Januar 2015 um 21:15 Uhr bei ServusTV