© ZDF/Raymond Roemke

Lisa Bitter: „‚Instant Fiction‘ wäre doch mal ein cooles Überbleibsel“

In der Serie „Schlafschafe“ in der ZDF-Mediathek spielt Lisa Bitter eine Frau, die zur Verschwörungsideologin wird und damit ihre Familie zu zerstören droht. Sie spricht bei DWDL über Querdenker, „Instant Fiction“ und wie es ist, in der Pandemie die Pandemie zu spielen.

Lisa Bitter, in der Neo-Serie „Schlafschafe“ spielen Sie eine Frau, die während der Pandemie tief ins Querdenker-Milieu abgleitet. Kennen Sie solche Menschen persönlich?

Lisa Bitter: In meinem engeren Umfeld hat sich glücklicherweise niemand in dieser Weise radikalisiert. Darüber hinaus höre ich natürlich schon von Freundschaften, die zerbrochen sind oder Paaren, die sich trennen. Weil ich selbst keine Kinder habe, kriege ich zum Beispiel das in der Serie aufgegriffene Thema Maskenverweigerung in Kita oder Schule nicht so hautnah mit.

Wie würden Sie denn damit umgehen, wenn Ihr eigener Mann anfinge, Masken zu perforieren und Rauchmelder abzunehmen?

Ich würde vermutlich wie Lars bei Melanie versuchen, ihn mit allen Mitteln auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen oder zumindest im Gespräch zu bleiben. Ab einem bestimmten Punkt scheint mir das allerdings unmöglich. Eine Erkenntnis dieser Arbeit ist, dass Querdenker demokratische Spielregeln von Information und Teilhabe, auf die wir uns in einer funktionierenden Demokratie geeinigt haben, so ad absurdum führen, dass echter Austausch unmöglich wird.

Weil Gegenargumente nur als Indizien der jeweiligen Blindheit gelten?

Genau, das macht dieses Dilemma unauflösbar und so dramatisch, weil die Gefahr, Menschen zu verlieren, die man liebt, gewaltig ist. Da hilft irgendwann nur noch Abgrenzung.

Grenzen Sie sich von 53 Kolleg*innen ab, die unter #allesdichtmachen Figuren wie Lars und Sie als „Schlafschafe“ bezeichnen, Medien als gleichgeschaltet kritisieren und Lockdowns als übertrieben?

Ich distanziere mich von Haltungen, die zur Spaltung der Gesellschaft beitragen und empfinde die gesamtgesellschaftliche Stimmung da als sehr angespannt. Umso wichtiger erscheint es mir, mit Bedacht und Feinfühligkeit in die Kommunikation zu gehen.

Bietet die Serie denn Strategien im Umgang mit Querdenkern an?

Sie will abbilden, wie schwer es ist, sich aus diesen Konfliktsituationen einvernehmlich zu befreien. Kompliziert wird es für Leute wie Lars, weil Melanie aus einem Gefühl von Angst und Sorge um ihr Kind auf den Weg ins Dunkel ist; diese Ängste kann man ebenso wenig ignorieren wie das Bedürfnis, auf Fragen einer komplizierter werdenden Welt simple Antworten zu suchen. Darin steckt das Perfide der Verschwörungsideologie, die zugleich für systematische Immunisierung gegen vielschichtige Betrachtungen sorgt.

Hat Ihre Figur demnach die Opfer- oder Täter-Funktion der Serie?

Verglichen mit Lars, der vor allem reagiert, ist sie in jedem Fall die Tätige im Sinne von Handeln. Wobei die meisten Verschwörungsgläubigen sich anfangs vermutlich in einer Opferrolle sehen, aus der sie sich befreien wollen. Eine gewisse Ohnmacht der sie scheinbar ausgeliefert sind. Der „Befreiungsakt“ und die Radikalisierung lässt sie dann eventuell zu Tätern werden.

Wie hat es sich für Sie denn angefühlt, das zu spielen – eher gut oder eher böse?

Mit dieser Form von Wertung tue ich mich als Schauspielerin generell schwer; schon, weil interessante Rollen nur selten das eine oder das andere sind. Da ich als „Tatort“-Kommissarin seltener mit dem Bösen assoziiert werde, habe ich mich unglaublich auf diese Figur gefreut, aber eher, weil ich ihre Denk- und Handlungsweise privat so ablehne. Trotzdem hatte ich bei ihrer Ausgestaltung kein Gefühl von gut oder böse, eher von stringent und logisch. Ich versuche meine Rollen nicht zu werten, sondern glaubhaft zu machen.

Wie war es denn dabei, in der Pandemie die Pandemie zu spielen?

Sehr befriedigend. Einen Themenkomplex von dieser aktuellen Relevanz habe ich zuvor noch nie gedreht. Oft war es so, dass die Nachrichtenlage vom Vortag morgens direkt in die Arbeit eingeflossen ist. Weil jeder eine Haltung dazu hatte, herrschte bei allen Beteiligten besondere Aufmerksamkeit für diese Art „Instant Fiction“, wie sie das ZDF nennt. So nah am Thema zu sein, finde ich toll, das darf sich gern wiederholen.

Natürlich gibt es Formate, die einen eher künstlerisch ernähren, und solche, die es mehr finanziell tun.

Glauben Sie, die Echtzeit-Verarbeitung der Realität macht Schule und wir sehen nach der Pandemie mehr Instant Fiction?

Das wäre doch mal ein cooles Überbleibsel einer Zeit, in der ich ständig denke, das Gröbste sei jetzt aber mal überstanden und alles wird besser, nur um sofort eines Besseren belehrt und wieder enttäuscht zu werden. Wer weiß: vielleicht ist die Pandemie nie ganz weg, vielleicht bleiben uns Masken und Abstand erhalten. Warum sollte uns da nicht auch diese Art der fiktionalen Erzählung erhalten bleiben? Das empfände ich als Zugewinn.

Das vollständige Interview gibt es hier.

Quelle: dwdl.de